Einfach mörderisch. Der EWTV Marathon alias Rätselwanderung
Wie Schalmeienklänge tönte es in unseren Ohren: „Der EWTV lädt herzlich zur Rätselwanderung ein, die im Umkreis seiner Turnhalle stattfinden wird. Es ist mit einer Dauer von etwa zwei Stunden zu rechnen……“ Da fassten auch ältere Turngeschwister frischen Mut und meldeten sich zahlreich, sodass sieben Mannschaften gezählt werden konnten. Bei der Ausgabe der ersten Fragen, auf denen auch die Etappen verzeichnet waren, zählten wir sieben Streckenposten, was gegenüber dem alten Sprichwort „Aller guten Dinge sind drei“ eine deftige Erweiterung darstellte, aber die Ausrichter dachten offenbar an die sieben Wochentage bzw. antiken Planeten und wollten die Fülle der Ganzheit bieten. Die erste Etappe war bereits eine Herausforderung, denn sie führte durch den überfüllten Naschmarkt, wo exotische Gewürze einzelnen Ständen zugeordnet werden mussten. Unwillkürlich dachte ich da an den bekannten Spruch „fremde Gewürze bringen uns immer tiefer ins Verderben“. Nach einer Stunde erreichten wir den ersten Posten vor Schuberts Sterbehaus, wo vier Musiksequenzen den Liederzyklen „Winterreise“ bzw. „Die schöne Müllerin“ zugeordnet und korrekt benannt werden mussten. Dies war zwar nicht einfach, gehört aber für einen Wiener zur Allgemeinbildung. Die zweite Etappe führte uns mit einem Knick zum Draschepark. Auf dem Weg dorthin kamen wir am Engelbrunnen vorbei, der nichts mit Engeln zu tun hat, sondern seinen Namen dem Stifter, einem Edlen von Engel, verdankt. Dargestellt ist eine hübsche Jungfrau mit zwei gefesselten Räubern. Diese Szene musste mit geänderter Handlung am Ende dargestellt werden, was für viel Applaus sorgen sollte. Vorläufig waren aber wieder Musikliebhaber gefragt, denn im Draschepark mussten 24 Titel Johann Strauß Vater, Sohn, Josef sowie Eduard Strauß zugeordnet werden. Da blieb kein Auge trocken. Mehr als zwei Stunden waren bereits vergangen. Die nächste Etappe war kurz, denn sie führte bloß zum Hauptbahnhof. Allerdings suchten viele Mann-schaften allzu lange die Kolschitzky Statue, manche fanden sie nie. Am Hauptbahnhof rutschte dann die Laune in den Keller. Denn wir brauchten etwa 20 Minuten, um herauszubekommen, wie Österreichs Züge fahren. Hätten Sie’s erraten? Mit 100% grünem Bahnstrom (steht außen). Nun ging es zum Oberen Belvedere und der Botanische Garten war das nächste Ziel unserer Sehnsüchte. Einige machten da schon eine späte Mittagsrast auf dem Bankerl und überließen die Suche nach x Bäumen den jüngeren Semestern. (die 4.Etappe). Damit konnten wir das Belvedere aber noch nicht abhaken, denn im weitläufigen Garten wollten noch März und Oktober gefunden werden und dafür musste man den berühmten Canaletto-Blick verlassen. Wenigstens konnten wir die Kirchen flott in einem Plan eintragen. (der 5.Streich). Die nächste Etappe führte uns zum Karlsplatz. Als kleiner Trost für den Lateiner gingen wir ein Stück durch die Mommsengasse und ich erinnerte mich wehmütig an die harschen Worte dieses Nobelpreisträgers, der Cicero als Mann ohne Einsicht, Ansicht und Absicht bezeichnet hatte. Er war als preußischer Junker eben überzeugter Cäsarianer. Bereits am Ende unserer Kräfte ermittelten wir in der Schmöllerlgasse y Turnübungen aus einem wohl bezahlt angefertigten sündhaft teuren Graffiti (ich habe aber vergessen, ob es in Verbindung zur AK steht). Im Delirium verirrten wir uns in der Argentinierstraße, da der Gedanke an die Staatsschulden uns beim Anblick der teuren Radautobahn die Tränen in die Augen treten ließ, sodass wir die Taubstummengasse verpassten. Endlich Karlsplatz beim 6.Streckenposten. Die öffentlichen Gebäude um den Resselpark waren rasch eingetragen und auch Brahms, der versonnen auf den Musikverein blickt, war bald entdeckt. (Bruckner dürfte im EWTV wenige Freunde haben, denn ausgerechnet im Brucknerjahr nach dem Bruckner-Hasser Brahms zu fragen, ist eine echte Provokation). Nun wartete die letzte Etappe. Wie in Trance wankten wir zum Theater an der Wien und verwechselten in der Antwort prompt den Direktor der Frühzeit (Schikaneder) mit dem aktuellen und ließen wieder Punkte liegen. Mehr taumelnd als gehend erreichten wir nach 6 Stunden und 15 Minuten wieder die Turnhalle in der Schleifmühlgasse, wo wir bei der Betrachtung des Fünfkampfes der Hellenen an den berühmten Marathonlauf dachten, dessen Botschafter mit dem Wort „Nenikékamen“ allerdings tot in Athen zusammenbrach. Nun, soweit war es mit uns noch nicht, vielmehr machten wir brav die vorgeschriebenen Turnübungen am Pferd, Reck, den Ringen, dem Balken (Gott sei Dank nicht schwebend), mit Stöcken, Hanteln und eine Vorturnübung. Endlich essen! Wie herrlich duftete die Kürbiscremesuppe, wie großzügig spendete der Verein das sündhaft teure Kernöl dazu, wie göttlich mundete der Streuselkuchen. Apfelsaft und Johannisbeersaft aus biologischem Anbau erquickten die durstigen Kehlen. Einige sollen auch Ottakringer getrunken haben. Nach Darbietung unserer Stücke wartete um 18.00 die Siegerehrung auf die Mannschaften. Der schönste Erfolg: dank ausgezeichneter Disziplin hat keine Mannschaft aufgegeben und alle erreichten das Ziel. Der Sieg war den schlauen Meidlingern nicht zu nehmen, doch Altottakring freute sich sehr über den zweiten und der EWTV über den dritten Platz. Ein ereignisreicher Tag war unfallfrei zu Ende gegangen. Wir bedanken uns bei den Ausrichtern für die Zusammenstellung der Fragen, bei der Küchenriege für die ausgezeichnete Suppe und den mit Liebe gebackenen Kuchen und wünschen uns für das nächste Mal bloß realistischere Zeitangaben.
Gut Heil!
Christian Gerstner